TRAUERFEIER
ich war 16, der himmel blau
hatte für die familienfeier nix anzuziehen
also hat mama mir ein schwarzes kleid geliehen
hab mich schön drin gefühlt,
war cool mit mir selbst,
was ne seltenheit war
viel öfter dagegen,
dass ich meinen körper nicht mag.
ich hab’s danach nie wieder angezogen.
„das hattest du in der öffentlichkeit an?!“
ein hagel an beleidigungen und verboten
du sagst, dass du mich liebst und mir vertraust,
aber „guck dich doch mal an,
dieses kleid zeigt viel zu viel haut“
„dich darf kein anderer so anschaun“
„kein wunder, was die jungs schon fragen“
gibst mir die schuld an all ihren aussagen.
bin gelähmt, fühlt sich falsch an,
was du über mich sagst,
als wär ich ein ding, ein exponat,
was *mann* im museum anglotzen mag.
nicht mal mein zensiertes ich war dir genug
ich war dir immer zu wenig - brav, ruhig, gut
und dafür immer zu viel - laut, politisch, stur
bis von uns zu wenig blieb und es zu viele gründe zum gehen gab,
hab ich viel zu lang in schockstarre verharrt, erst jahre später wird mir vieles klar.
ich spür das schwarze kleid auf meiner haut,
das ich mich endlich wieder zu tragen trau.
ich trag es nun feierlich in aller öffentlichkeit zur schau,
denn heute ist die totenwache von einem paar,
was von anfang an nie lebendig war
von einem ideal, das immer deins und nie meins war,
und von einer welt, in der du mir sagst,
wie ich auszusehen hab, weil´s dir so gefällt
ich kann nur hoffen,
dass du heute selbstkritischer in deinen spiegel schaust
und kein stück mehr von dem misogynen mist
von damals glaubst.